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DIE KUNST DER REDUKTION

Die Welt, in der wir leben, stößt an Grenzen. Wir hören es in den Nachrichten und wir brauchen uns nur umschauen. Offenbar werden wir von vielem Abschied nehmen müssen, was uns im Lebensstil, in der Gesellschaft und auch in der Kirche vertraut ist. Was wir nicht wissen: Wie gelingt es uns, den Wandel zu gestalten?

„Emergenz“

Im christlichen Glauben stellt sich Wandel als ein „Sterben“ dar – biologisch nicht ganz zutreffend heißt
es in der Bibel, dass das Weizenkorn „sterben“ muss, um neues Leben in die Welt zu bringen. Doch der Fokus liegt auf der Auferstehung, dem Neuen, das auf das Vorangegangene nicht zurückzuführen ist. Mit dem Ausspruch
„Ich bin gekommen, damit ihr Leben in Fülle habt“ meint Christus den Prozess des Wandels hin zum Segen.

Genau dafür gibt es in den Geisteswissenschaften den Begriff der „Emergenz“ – wenn eben Neues entsteht, das nicht auf seine Einzelteile zurückzuführen ist. Auferstehung ist so ein „Emergenz–Geschehen“.

Da wird nicht einfach etwas in den alten Zustand zurückversetzt, sondern es wird eine Zukunft eingeläutet – vielleicht kleiner und unscheinbarer, vielleicht tiefer und wirksamer, vielleicht ganz anders.

Wie lassen sich Einfachheit und Fülle zusammenbringen?
Wie kann es gelingen, Rückgang und Rückzug so zugestalten, dass wir diese nicht als Kürzung, sondern als Zuge- winn verstehen?

Das frage ich mich derzeit in den Veränderungsprozessen unserer Kirche. Es geht darum, Einfachheit und Fülle zusammenzubringen – zwei Begriffe mit Potential, lebensbejahend und attraktiv – und fern von Armut und Verlust.

Nein, ich habe keine Angst vor den Veränderungen unserer Kirche. Auch wenn ich merke, welche Traurigkeit es auslöst. Es fällt schwer, Abschied nehmen müssen von so Vielem, was uns am Herzen liegt. Da steht uns noch viel bevor. Die angekündigten Kürzungen der Kirche in den kommenden Jahren, was Personal, Mitglieder, Gebäude und Ressourcen angeht, be- schreiben zugleich nur eine Seite.

Mir geht es darum, dass wir uns dem Wandel stellen, dass wir von unserem Glauben an den Auferstandenen frei- mütig erzählen und dass wir davon Abschied nehmen, die Welt so zu denken, wie wir sie gerne hätten.

– Markus Merz